Donnerstag, 10. April 2014

modellierte Wirklichkeit II

Bei meinem Post von gestern hatte ich das Gefühl noch ein paar Zeilen zur modellierten Wirklichkeit loswerden zu müssen. Das möchte ich hier nachholen.

Wie bereits erwähnt geht es beider modellierten Wirklichkeit darum, dass man auf erfasste Datenbestände eigene Kriterien anlegt um ihnen Aussagekraft zu verleihen. Das man sich zu den objektiven Informationen subjektive Modelle bastelt die zutreffend scheinen.

Ein profanes Beispiel:

Eine Telefonbuch-Datenbank bietet neben der Suche nach Name/Adresse auch die Möglichkeit der Rückwärtssuche. Oftmals kann man diese Datenbanken auch völlig beliebig abfragen, etwa "alle Rufnummern zu einer Adresse mit Hausnummer" oder "alle Rufnummern einer Straße".

Ich könnte diese Datenbank also abfragen und mir auswerfen lassen "alle Rufnummern die zwei Namen zugeordnet haben".
Diese Ausgabe wiederum filtere ich nach "zwei männliche Vornamen".

Ich finde also alle Rufnummern bei denen zwei männliche Vornamen hinterlegt sind. Und jetzt schlussfolgere ich, dass ich alle homosexuellen Lebensgemeinschaften ausgeworfen habe. Voila.

Irgendwie wird diese Vermutung, manchmal, sicher zutreffen. Aber eben nur manchmal. Alle anderen liegen nun in meiner Datenbank und haben den Stempel "homosexuell"

Das Gedankenspiel "wenn ein homosexuelles Paar sich ins Telefonbuch eintragen lässt, dann habe ich zwei gleichgeschlechtliche Vornamen zu einer Rufnummer" mag ein eine Richtung funktionieren, der Umkehrschluss aber ist falsch bzw. nur eine Teilmenge!

Ein ziemlich großes Schwein das gerade durch die "Data-Mining-Industrie" getrieben wird, ist Big Data. Man erhofft sich, aus der Verknüpfung unzähliger Datenbestände, abermillionen an Datensätzen, Informationen über die Betroffenen ermitteln zu können. Informationen die die einzelnen Daten so nicht hergeben. Informationen über Verhalten, Affinitäten, Wünsche, Umfeld,...
Informationen über die sich die Betroffenen womöglich selbst nicht bewusst sind.

Daraus erwachsen zwei Gefahren.

Zum einen können diese Ganzen Statistiker, Datenanalysten, Psychologen, Profiler und Marketing-Experten immer nur Informationen ermitteln von denen sie denken sie wären in den Daten enthalten. Sie legen also ihre Vorstellung zugrunde. Sie modellieren eine Wirklichkeit über den Betroffenen.
Damit wären wir wieder bei Zuordnung von Eigenschaften die einfach nicht wahr sind.

Wie gut das Funktioniert kann man schön bei Amazon beobachten. Die Funktion "Leute die dies gekauft haben interessieren auch für" ist zugegebener weise praktisch. Ich habe auch schon frohlockt "cool, zu dem Thema gibt's auch das Buch? Kannte ich noch nicht!"
Aber meist durchforste ich den Store, entscheide mich für oder gegen den Kauf eines Produkts und bekomme trotzdem noch Wochenlang zu sehen was thematisch für mich eigentlich schon abgeschlossen ist. 
Entweder ich hab bereits das Produkt erstanden --> weitere Werbung sinnlos.
Oder ich wollte es dann doch nicht --> weitere Werbung sinnlos.

Die andere Gefahr die erwächst ist, dass wir weiter manipulierbar werden. In Grenzen werden die Modelle die uns mit Big Data zugeordnet werden auch stimmen oder funktionieren. Und wenn ich zukünftig mit Werbung versorgt werde die meine Wünsche trifft, mein Begehren weckt, dann gebe ich Geld aus obwohl ich es nicht vor hatte.

Als der Datenschutz entstand, hatte man im Kopf den Menschen davor zu schützen im Umgang mit seinen personenbezogenen Daten irgendwelche Nachteile zu erfahren. Mein Kontostand geht nur meine Bank und mich etwas an. In der heutigen Zeit ist aber der Kontext von Daten viel entscheidender. Dem wird das aktuelle Datenschutzrecht nicht gerecht.

Mein Name und meine Telefonnummer im Telefonbuch sind eine relativ unkritische Geschichte. Mein Name und meine Telefonnummer in der Patientenkartei eines Psychologen sind eine kritische Information.
Die Daten selbst sind weiterhin die gleichen. Der Kontext in dem sie erscheinen macht sie völlig unterschiedlich.

Mit Big Data werden zukünftig Kontexte generiert die so nirgends allein vorkommen. (Genau genommen werden sie so heute schon konstruiert)

Insofern: dem Staat schauen wir bei der VDS auf die Finger, haben öffentliche Diskussionen, engagierte Arbeitsgruppen.
Die Datensammelei im privaten Sektor ist leider weniger prominent vertreten, hat weniger Lobby.

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