Mittwoch, 9. April 2014

Vorratsdatenspeicherung und modellierte Wirklichkeit


Da war er, der Paukenschlag!
Der europäische Gerichtshof hat gestern, sehr zu meiner Freude, die verdachtsunabhängige Speicherung von Metadaten für unzulässig erklärt. Auch wenn der EuGH, wie schon zuvor der BGH, eine Vorratsdatenspeicherung für grundsätzlich machbar hält, ist das Urteil und die Begründung Wasser auf die Mühlen der Datenschutzaktivisten und Bürgerrechtler.

Vielen Dank an dieser Stelle für all diejenigen die sich diesbezüglich engagiert haben und an diejenigen die mit Mikrospenden unterstützt haben.

Der EuGH hat erkannt, dass in einer Gesellschaft, in der keiner von uns weiß, was wann über ihn gespeichert wird, sich die Menschen in ihrem Verhalten anpassen werden. Dieses diffuse Gefühl von "überwacht werden" passt einfach nicht in eine freiheitliche Gesellschaft.

Befürworter der VDS sehen in ihr ein unerlässliches Mittel um effiziente Strafverfolgung zu ermöglichen, die Bösen sind immer einen Schritt voraus.
Ja, ich teile die Ansicht dass sich Strafverfolgungsbehörden heute in einem Spannungsfeld befinden. Einerseits sollen sie uns unbescholtene Bürger gefälligst in Ruhe lassen. Andererseits müssen sie sich den Fragen stellen, warum sie nicht agieren oder vorher es hätten besser wissen müssen wenn es doch mal zum Äußersten kommen sollte. Dafür jedoch eine komplette Gesellschaft in Sippenhaft zu nehmen kann nicht die Lösung sein. Vor allem weil bisher jeglicher Beweis schuldig geblieben ist, dass die VDS die (angeblichen) Probleme lindert.

Was die Befürworter der VDS jedoch gern übersehen ist, dass die Metadaten viel mehr über die Menschen verraten als die Informationen an sich eigentlich speichern. Es geht nicht nur darum "war, hat wann, von wo, mit wem, über welchen Kanal" kommuniziert. Das haben die Richter des EuGH sehr gut erkannt und richtigerweise benannt.

Kürzlich gab es hierzu einen Versuch an der Stanford University.
Die Forscher haben die Metadaten von freiwillig teilnehmenden Studenten über einen längeren Zeitraum gespeichert und später ausgewertet. Die Ergebnisse aus den Auswertungen überraschte die selbst die Forscher. Aus den Verbindungsdaten konnte "herausgelesen" werden, dass einige wohl Gesundheitsprobleme hätten. So hat ein Teilnehmer mehrfach mit einer Herzklinik und diese mit ihm telefoniert. Dann wiederum mit einem medizinischen Labor, einer Apotheke und mehrfach die Hotline eines Herstellers für kardiologische Überwachungsgeräte bemüht. "Klar" dass derjenige Herzkrank war. Vielleicht war er aufgeregt über "komische" Werte des Geräts, fragte beim Facharzt an und am Ende beim Hersteller weil das Gerät evtl. eine Fehlfunktion hatte?
Aber merkt ihr was? Viel Konjunktiv in den letzten Sätzen!

Hier fängt nämlich das Problem an. Die Metadaten verraten in Summe ohne Zweifel mehr als die Einzelinformationen aus denen sie bestehen. Ab einem gewissen Punkt fängt man aber an Realitäten in diese Informationen zu projezieren. Man modelliert sich eine Wirklichkeit.
Ob besagter Student wirklich herzkrank war, ich weiß es nicht. Vielleicht hat er für sein Medizinstudium recherchiert? Vielleicht etwas für seine herzkranke Mutter organisiert? Ich weiß es nicht! 

Aber auf diesem Weg lässt sich für jeden von uns, auf Basis seiner Metadaten, etwas konstruieren dass ihm zum Nachteil gereichen kann. Und es muss noch nicht einmal mit böser Absicht etwas konstruiert werden. Wenn mein Profil, mein Verhalten zufällig eine gewisse Übereinstimmung mit den "Gefährderprofilen" hat, wird der gebaute Algorithmus mir einen Stempel verpassen. Da bucht man ein Flugticket nach Asien für den nächsten Herbsturlaub, bummelt im Sommer vorher noch durch die City am Jagdgeschäft vorbei und besucht am Wochenende das Straßenfest im Szeneviertel und setzt sich auf ein Bier auf die Bank vorm Büro der "schwarzen Katze"...

DAS sind die Gefahren einer überwachten Gesellschaft. Keiner kann sich mehr unbedarft bewegen und verhalten. Immer und Überall muss ich darauf achten ob mir das nicht zum Nachteil gereichen kann was ich gerade mache.

In diesem Sinne: Danke EuGH.

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